14-01-2022
Wann wird die E-Justiz eingeführt?
Die Einführung eines grundlegend neuen elektronischen Verwaltungssystems in die Justiz ist ein ermutigender Schritt zur Implementierung einer umfassenden und von allen erwarteten E-Justiz

Liegt schon die Zeit nah, in der alle Prozessparteien und das Gericht selbst bestimmte Prozessmaßnahmen zur Gänze online durchführen? Natürlich setzt das auch den vollen Zugang zu allen Aktenschriftstücken voraus, aber es wird zugleich eine Plattform zur Kommunikation mit dem Gericht geplant.

 

Die Rechtsprechung wird dadurch zügiger. Zugleich werden Qualität, Transparenz und Vorhersehbarkeit verbessert. Im Lichte der Justizreform und auch der wirtschaftlichen Entwicklung wäre dies von herausragender Bedeutung.

 

Das neue System umfasst zwei grundlegende Bereiche: einen äußeren (e-Justizportal, e-JP) und einen internen Gerichtsbereich (einheitliches Gerichtsinformationssystem, EGIS), die ineinander greifen und somit die Prozessparteien und die Justizangestellten unterstützen. Geplant wird, dass die e-JP den Bürgern / Prozessbeteiligten die Möglichkeit bietet, online Dokumente einzureichen und andere Prozessmaßnahmen durchzuführen, Einsicht in die Akten zu bekommen u. a. m.

 

Das interne Informationssystem – EGIS, wird den Justizangestellten zur Verfügung stehen. In diesem System werden die e-Akten angelegt und sämtliche Unterlagen gespeichert, die von den Prozessbeteiligten erstellt bzw. zur Verfügung gestellt worden sind. Das heißt, dass durch die erfolgreiche Koordinierung zwischen e-JP und EGIS das Gericht und die einzelnen Gerichtsbediensteten Informationen über sämtliche Schritte der Parteien in Echtzeit bekommen werden.

 

Die dritte Komponente, die den Kern der e-Justiz bildet und vor allem die gewünschte Flexibilität und Dynamik liefern soll, ist die sog. Vorladung im elektronischen Wege. In diesem Zusammenhang sieht der neue Rechtsrahmen vor, dass alle Behörden, Finanzinstitute, Kommunaldienstleister und Rechtsanwälte sowie die Parteien, die dies ausdrücklich wünschen, nur im elektronischen Wege zu laden sind. Wenn das System effektiv umgesetzt wird, fallen mit der Zeit Verzögerungen und bösgläubige Schikane bei der Bearbeitung von Verfahren von allein weg.

 

Um die sichere Anwendung der e-Justiz gewährleisten zu können, sind bestimmte technische Mängel detailliert zu erörtern, einschließlich der Zugang für Software-Fachleute zu Daten, die die Unabhängigkeit der Justiz betreffen.

 

Gegenwärtig haben die in der e-JP registrierten Personen praktisch nicht die Möglichkeit (auch durch qualifizierte elektronische Unterschrift), Verfahrenskontrollen durchzuführen und Einsicht in die gerichtlichen Aktenschriftstücke zu einer bestimmten Rechtssache zu bekommen.

 

Dies ist ein beträchtliches Hindernis für die Rechtsberater, da vor der Implementierung des neuen Systems ein Großteil der Gerichte über eigene Plattformen (Webseiten) verfügte, auf denen aktuelle Informationen über die Rechtssachen veröffentlicht wurden und Akteneinsicht gewährt wurde. Seit der Verabschiedung der diskutierten Gesetzesnovellen wurde die „Autonomie“ der Gerichte abgeschafft bzw. deren Plattformen sind entweder gelöscht oder bieten keine aktuellen Informationen an. 

 

Die Gewährleistung der detaillierten Online-Akteneinsicht und der Übersicht von Gerichtsentscheidungen und sonstigen Urkunden ist zwingend notwendig.  Zum heutigen Zeitpunkt ist bei fehlendem Zugang zu einer bestimmten Gerichtsakte nur das Datum zu erkennen, an dem die Akte erlassen wurde und es besteht keine Möglichkeit, die Datei zu öffnen.

 

Ein zusätzlicher Vorteil wäre der online Zugang zu allen Schriftstücken (Beweisen u. a.) in einem bestimmten Verfahren. Dadurch wären die Gerichtbediensteten von den täglichen telefonischen Auskünften entlastet.

 

Wichtig wäre auch die Weiterentwicklung des bereits geplanten Moduls „Vorlagen“, damit die Parteien diese bei der Einreichung von verschiedenen Unterlagen beim Gericht nutzen können, wie z. B. Klageschriften, Anträge auf einen Vollstreckungsbescheid etc.

 

Eine solche Innovation wäre für diejenigen Verfahrensbeteiligten, die keine juristische Ausbildung haben, von enormem Nutzen und könnte somit die Justiz zugänglich und transparent für die Bürger machen.

 

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach dem gleichzeitigen Verlauf der Verfahren in einem „physischen“ und in einem online-Umfeld zu erläutern. Die gleichzeitige Verwendung des elektronischen und des Papierformats birgt auch die Gefahr, Fehler zu machen wegen der unterschiedlichen Form der Ladung (zum heutigen Zeitpunkt) in Bezug auf die verschiedenen Kategorien von Subjekten / Verfahrensbeteiligten. So werden bestimmte Personen wie Kredit- und Finanzinstitute, Notare u. a. nunmehr nur elektronisch durch EGIS oder E-Mail-Einschreiben geladen.

 

Das neue Ladungsformat wird für die Rechtsanwälte erst ab Juni 2022 gelten, also für sie ist immer noch das „alte“ Ladungsverfahren gültig. Für alle anderen Beteiligten ist die e-Vorladung momentan nur eine Option, jedoch aber keine Pflicht, d.h. die jeweilige Person kann weiterhin in den Gerichtsunterlagen eine „physische“ Anschrift angeben, an der sie verfahrensrelevante Mitteilungen und Vorladungen auf Papierträger erhalten kann.

 

Wir empfehlen die umgehende Vereinheitlichung des Vorladungsverfahrens für alle Prozessbeteiligten. Dadurch wäre das Risiko von prozessualen Verstößen gesenkt. Dieser Schritt wird vorläufig bis zum 30. Juni 2022 geplant.

 

Zum Vermeiden der Erstellung von Formblättern auf Papierträger und von überflüssigen Gerichtsgängen soll die Registrierung durch qualifizierte elektronische Signatur möglich gemacht werden. Dies würde das Verfahren wesentlich vereinfachen und die Beteiligten zur Anwendung des Systems motivieren, da dadurch das Anhäufen von Unklarheiten unterschiedlicher Natur vermieden würde, z. B. bei welcher Behörde (welchem Gericht) und in welcher Form der Antrag gestellt werden soll, damit die jeweilige Person „Anwender“ von e-JP werden kann.

 

Effektive Lösungen zu den vorstehenden Fragen zu finden ist von wesentlicher Bedeutung für das erfolgreiche Funktionieren der „drei Säulen“ der e-Justiz, was eindeutig das Gerichtsverfahren beschleunigen, eine einfachere Verfolgbarkeit der Verfahren gewährleisten und dadurch den Bürgern und den Unternehmen den notwendigen Schutz ihrer gesetzlichen Rechte und Interessen geben würde.

 

 Pavel Tsanov     Boris Strijlev

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